Die Greisin und die
Sehenden
Nun treffe ich die
Greisin regelmässig im Wald an.
Wir werden uns immer
vertrauter.
Ihr Wissen über die
Natur und die Elemente,
ergeben einen
wertvollen, unbezahlbaren Schatz.
Die Greisin, mit
ihrem stets sanften lächeln im Gesicht,
erscheint mir heute
allerdings traurig, erschöpft.
Ich frage sie nach
dem Grund.
Aber sie antwortet
mir nicht.
Wie so oft, wenn sie
der Meinung ist,
dass meine Frage
nicht von wirklicher Bedeutung wäre.
Und so schweigen
wir, während vor uns der Schmetterlings weg
in seiner gesamten
Schönheit erscheint.
Hier verweilen wir
gerne,
umgeben von
tanzenden Schmetterlingen,
fühlt sich das Herz
besonders leicht an.
Dann sieht sie mich
an, mit ihren gütigen funkelnden Augen.
„Die Sehenden
werden immer weniger,“ seufzt die Greisin.
„Die Menschen
gehen in den Wald, aber sie sehen nicht. Nicht richtig.
Sie laufen, rennen
und schreien in ihre Telefone.
Sie übertönen die
Musik und Stimmen des Waldes,
mit ihren Geräten.
Ich zeige ihnen die
schönsten Dinge -
aber sie können es
nicht sehen.
Wenn wir ein
Waldkonzert feiern,
hört niemand zu.
Sie laufen einfach
vorbei.
Ihr, die hin seht
und hört, seid wenige.
Dabei wäre es so
wichtig...“
Ich verstehe was sie
meint,
aber was sollte ich
dieser Weisen Frau antworten?
Hatte sie mit ihren
Worten nicht recht?
Dann nehme ich ihre
Hand in meine
und sehe sie mit
ernstem Blick an.
„Du hast recht in
dem was du sagst.
Aber ich kann dir
sagen,
dass wir gar nicht
so wenige sind.
Wir leben verteilt
auf der ganzen Welt
und treten kaum in
Gruppen auf.
Aber wir sind da.
Und wir werden mehr.
Langsam zwar, aber
wir werden mehr.
Wir, die wir die
Natur als mehr sehen.
Mehr als grüne
Flächen und Bäume,
Wasser, Wege und
Tiere.
Wir, die richtig hin
sehen und noch staunen können.
Gib uns nicht auf.“
© Die Waldfrau