Freitag, 1. Juli 2016

Unperfekt - Perfekt



Unperfekt - Perfekt
Eine Geschichte der Waldfrau



Das Gefühl,
im hier und jetzt Falsch zu sein.
Treibt mich wieder in meinen Wald.
Ich eile und bemerke meine Verfolger erst spät.
Es sind die Schatten der Zweifel,
die denken, sie seien im Recht.
Die Schatten sind laut und energisch.
Endlich sehe ich das Tor in den Wald
und gehe noch schneller.
Zu meiner Überraschung,
sitzt auf einem umgestürzten Baum die Greisin.
Ob sie wohl im Wald wohnte?
Unsere Begegnungen sind zufällig und doch...
Ich habe die Greisin zuvor erst einmal gesehen,
bei der alten Stelle an der die Sorgensteine liegen.

Sie lächelt mit einer unvorstellbaren Güte
und umarmte mich.
In dieser Sekunde verschwinden die Schatten hinter mir.
Von unsere letzten Begegnung weiss ich,
dass die Greisin keine Frau der grossen Worte ist.
Sie nimmt mich bei der Hand
und wir gehen gemeinsam ein Stück.
Bei den Wurzelhügeln bleibt sie stehen
und deutet mir, mich zu setzen.
Du bist nicht falsch. Lerne gegen die Schatten zu kämpfen.
Lerne deine Gabe zu schätzen.“

Ihre Worte klingen überraschend energisch.
Die Greisin erhebt sich und winkt mir,
ihr zu folgen.
Mit ihren dünnen Finger deutet sie auf einen Baum,
welcher mit einem Kreuz gezeichnet war.
Auf mich wirkte er wunderschön, besonders.





Eine kurze Zeit später,
deutet sich vor uns ein kleiner Waldweg an,
an dessen Seiten Löwenzahn leuchtet.
Es müssen hunderte sein...
Die Greisen lächelt und kniet sich zu einer bestimmten Löwenzahnblume nieder.
Sie winkt mich zu sich und ich sehe eine weitere Besonderheit.










Ich denke mir das diese Blume wohl besonders stark und
mächtig verwurzelt sein muss.

Während ich mich erhebe, sehe ich vor mir
den schönsten Weg den ich bisher entdecken durfte.
In meinen Augen absolute Perfektion,
in anderen Augen wohl Unordnung.





Die warme und weiche Hand der Greisin liegt auf meiner Schulter
Siehst du? Jeder hier im Wald ist unperfekt – perfekt. Besonders. Wären hier alle gleich, gäbe es uns nicht, nicht so. Bereue nie, dass du nicht zur grossen Masse gehörst. Sondern sei stolz.“

Da stehe ich nun, wieder alleine.
Vielleicht habe ich geträumt?
Aber ihre Worte in meinem Kopf.
Unperfekt – perfekt.
Stolz darauf sein.
Was auch immer heute wirklich oder unwirklich war,
ich lerne daraus.
Keiner von uns, der anders ist, ist falsch.
Wir sind absolut unperfekt – perfekt!

© Die Waldfrau